Flugangstseminar

Die Flugangst in zwei Tagen in den Griff bekommen? Ist das wirklich so einfach? Das habe ich mich mehrmals gefragt, als ich das Formular zur Anmeldung ausgefüllt habe und anschliessend das Anmeldefenster wieder geschlossen habe. Was ist, wenn ich das Seminar mache und danach immer noch nicht fliegen will oder kann? Viele Fragen gingen mir durch den Kopf. Ich war immer kurz davor auf den „Senden“ Knopf zu drücken.

Anfangs September habe ich es dann endlich geschafft den Knopf zu drücken und mich für das Seminar vom 8./9. September 2012 anzumelden, dass dachte ich zumindest. Am nächsten Tag bekam ich die Mitteilung, das Seminar ist ausgebucht. Weitere mögliche Daten sind der 27./28. Oktober 2012 oder 24./25. November 2012.

24./25. November ist definitiv zu spät. Bleibt also nur noch der 27./28. Oktober. Super dachte ich mir am 28. Oktober hat mein Papi Geburtstag und ich soll da in ein Flugzeug steigen? Wenn das Ding abstürzt kann er nie mehr Geburtstag feiern. Solche Gedanken gingen mir durch den Kopf.

Schliesslich habe ich mich doch angemeldet. Die Tage bis zur Woche in welchem das Seminar war, vergingen sehr schnell. Die letzte Woche vor dem Seminar war für mich endlos lange. Sie wollte einfach nicht zu Ende gehen.Die letzten Tage vor dem Seminar waren schrecklich. Hunger hatte ich keinen mehr und wenn ich mal schlafen konnte träumte ich von irgentwelchen Flugzeugabstürzen.

Seminartag 1

In der Nacht auf Samstag habe ich komischerweise erstaunlich gut geschlafen. Um 07:07 Uhr ging es los. Zuerst mit dem Zug auf Zürich und anschliessend mit der S-Bahn bis Kloten Balsberg. Das Wetter passte prima, in Basel Regen und in Zürich Schnee. Fliegen bei Schnee, dass kann ja nur gut kommen habe ich mir so gesagt.

Um 09:00 Uhr fing das Seminar an. Als erstes gab es eine kurze Vorstellungsrunde. Dort durften wir unseren Sitznachbar vorstellen. Ich denke dies war mit Absicht so geplant, denn bei diesem ersten kleinen Gespräch merkte ich sehr schnell ich bin nicht der einzige der Flugangst hat, es geht vielen anderen genau gleich wie mir, wenn Sie in ein Flugzeug einsteigen müssen. Zusätzlich musste jeder Kursteilnehmer auf einer Weltkarte seine Traumdestination markieren. Meine Markierung landete auf Australien, genauer gesagt bei Perth.

Nach der Vorstellungsrunde wurden unsere Angstauslöser und Symptome auf dem  Flipchart festgehalten. Anschliessend bekamen wir von der Psychologin allgemeine Informationen über Ängste und deren Auslöser. So wurde uns beispielsweise aufgezeigt, dass wenn man bereits unter Stress und Zeitdruck an den Flughafen geht, man schneller in seine Angstzustände verfällt, wie wenn man entspannt und ausgeruht mit genügend Zeit seine Reise antritt. Somit ist es wichtig, dass man frühzeitig seine Vorbereitungen macht und die Flüge bucht, denn bei einer frühzeitigen Buchung, hat man noch mehr Auswahlmöglichkeiten betreffen des Sitzplatzes, was für mich ein wichtiger Punkt ist.

Zusätzlich wurden uns Entspannungs- und Atmungsübungen gezeigt. Die progressive Muskelentspannung ist etwas, was mich sehr beeindruckt hat. Durch das vorgängige Anspannen der Muskeln ist die anschliessende Entspannung deutlich spürbarer, wie wenn man sich einfach nur in den Stuhl setzt und sich probiert zu entspannen.

Nach diesen ganzen Übungen war es schon fast 12:00 Uhr als der Pilot der Swiss zu uns kam. Nach dem er sich vorgestellt hatte, zeige er uns anhand diverser Beispiele und Folien warum und wieso ein Flugzeug fliegt. Dieser Punkt war für mich sehr interresannt, da man hierbei auch den Piloten als Mensch kennenlernte und ich merkte auch dieser will wieder nach Hause zu seiner Familie und macht alles, was in seiner Macht steht, damit ich sicher am Ziel ankomme.

Nun ging es auf den Flughafen, wo wir gemeinsam das Mittagessen zu uns nahmen, auch hier denke ich war der Ort bewusst gewählt, da man einen wunderbaren Blick auf das Flugfeld und all die ganzen Flugzeuge hatte. Langsam merkte ich, dass ich mich nicht so wirklich wohl fühle auf dem Flughafen.

Im Anschluss an das Mittagessen ging es zur Flugzeugbesichtigung. Wir durften den Weg der „Crew“ gehen, also separate Sicherheitskontrolle, Extrabus zum Flugzeug etc.. Beim Flugzeug angekommen machten wir zuerst einen Rundgang um das Flugzeug und „kontrollierten“ den Zustand des Flugzeugs, wie dies jedesmal vom Pilot gemacht wird. Ausser dass es ziemlich kalt und nass war, gehört dies auch zu einem Punkt, der mir aufzeigte, wie viel unternommen wird, dass das Flugzeug in Ordnung ist und nur abheben darf, wenn alles in Ordnung ist. Nach der Kontrolle ging es ins Innere des Flugzeugs. Wir wurden in drei Gruppen aufgeteilt.

Zuerst gings ins Cockpit des A319. Dort durften wir die vielen verschiedenen Knöpfe, Schalter und Hebel ansehen und bedienen. Ich konnte mich auf den Stuhl des Co-Piloten setzen während eine weitere Kursteilnehmerin auf dem Stuhl des Piloten platznahm. Der Pilot bat mich den Steuerknüppel nach rechts zu drücken und meine Sitznachbarin nach links, also genau entgegengesetzt zu meiner Richtung. Was dann geschah, war für mich etwas vom Eindrücklichsten des ganzen Seminars. Bei diesem Steuervorgang ertönte eine Warnung, dass das Flugzeug unterschiedliche Inputs erhalten habe und diese nicht ausgeführt werden. Diese Erkenntnis hat mir sehr geholfen, da ich weiss, sollten die beiden da vorne einmal etwas Unterschiedliches machen wollen, dann greift das System ein und verhindert dies.

Nach der Cockpit-Besichtigung ging es in die Kabine. Wir durften es uns auf den Sitzen bequem machen. Für mich war das irgendwie sehr komisch. Ich wusste zwar, dass das Flugzeug heute mit mir nicht abheben wird, trotzdem wollte ich eigentlich nicht unbedingt dort drin sein. Als wir uns hingesetzt hatten, machten wir die Entspannungsübungen, die wir am Morgen im Seminarlokal geübt hatten, im Flugzeug  unter realen Bedingungen.

Zum Schluss wurde uns vom Maître de Cabine im vorderen Teil der Kabine die Ausstattung des Flugzeugs gezeigt. Feuerlöscher, Medikamente, Trolleys usw. dabei erklärte er gleichzeitig, was dabei für Geräusche entstehen könnten. Kurze Zeit später kam die Besatzung für den Flug an Board und wir mussten leider wieder gehen. In der Zwischenzeit hatte ich mich an die Umgebung gewöhnt und fühlte mich eigentlich ganz wohl an Bord.

Zurück im Seminarlokal haben wir zusammen mit dem Pilot die Punkte auf dem Flipchart abgearbeitet. Jeder einzelne Punkt wurde solange diskutiert bis es für jeden im Raum in Ordnung war.

Als letzter Punkt stand die Gedankenumwandlung auf dem Plan. Dabei wurde uns anhand von Beispielen aufgezeigt, wie man seine eigenen negativen Gedanken in positive umwandeln soll.

Ein Beispiel:
Ein Flugzeug stürzt ab, wenn Turbulenzen auftreten!“ => „Ein Flugzeug ist gebaut um zu fliegen, auch wenn Turbulenzen auftreten bringen diese ein Flugzeug nicht zum Absturz. Sie sind zwar unangenehm aber nicht gefährlich“.

Dann war endlich Schluss und ich machte mich auf den langen Heimweg. Zu Hause angekommen war an Schlaf nicht zu denken. Ich war zu aufgewühlt von dem Ganzen, was ich erlebt hatte. Als ich dann endlich einschlafen konnte bin ich, gefühlte vier Mal, im Traum nach Brüssel geflogen, denn da ging es am Sonntag hin.

Seminartag 2

Am Samstagabend war ich fest davon überzeugt, dass ich am Sonntag in das Flugzeug einsteigen werde. Am Sonntagmorgen, nach der Nacht (mit viel Zeit zum nachdenken), war das schon nicht mehr so. Auch auf dem Weg nach Zürich hatte ich viel Zeit zum überlegen. Ich erwischte mich immer wieder, wie ich in den alten Trott zurückfiel und immer wieder das Gefühl hatte, dass das Flugzeug heute ganz bestimmt abstürzen wird, da ich ja drin bin. Dies legte sich aber schnell wieder, als wir gemeinsam für unseren grössten Angstgedanken einen positiven Gegengedanke aufschrieben. Der Angstgedanke auf dem weissen Kärtchen wurde zerrissen und im Abfall entsorgt. Der positive Gedanke auf dem blauen nahmen wir mit auf unseren Flug.

Um kurz vor 11:00 Uhr ging es dann zum Flughafen. Die Nervosität stieg langsam und der anhaltende Schneefall sorgte nicht gerade für Beruhigung. Am Flughafen angekommen ging es Richtung Sicherheitskontrolle und dann zum Terminal. Meine Blicke fielen immer wieder auf die Anzeigetafel mit den Flügen. Irgendwie hoffte ich, dass hinter dem Brüsselflug aufgrund des Schnees das Wort „Cancelled“ erscheinen würde. Zum Glück, wie ich jetzt im Nachhinein sagen muss ,geschah das nicht.

Beim Boarding kam der Seminarvorteil wieder zum Zuge. Wir konnten vor allen anderen mit einem separaten Bus zum Flugzeug, um in aller Ruhe Platz zu nehmen. Kurze Zeit später kamen die anderen Fluggäste und die Türen wurden geschlossen und ich wusste jetzt gab es kein zurück mehr.

Das Flugzeug fuhr zuerst zur Enteisungsstation. Unser Maître de Cabine erklärte uns zu jedem Geräusch das Auftrat die entsprechende Ursache, was für mich sehr beruhigend war. So sagte er z.Bsp. während des Starts: „Jetzt werden die Räder eingefahren, dies wird sich so bemerkbar machen“. Einige Sekunden später hörte und spürte ich den entsprechenden Vorgang und ich sagte mir: „siehst du, dass ist alles ganz normal und harmlos“. Je länger der Flug dauerte, desto besser und wohler fühlte ich mich.

Die Aufenthaltsdauer in Brüssel war nicht sehr lange. Nach knapp 45 Minuten am Flughafen, was nur zum Kauf von belgischem Bier und Schokolade gereicht hatte, ging es wieder mit demselben Flugzeug zurück nach Zürich. Die Startphase war für mich erneut der unangenehmste Teil des gesamten Rückfluges. Die letzten 30 Minuten des Fluges verbrachten wir in der dichten Wolkendecke. Erst 10 Sekunden vor der Landung konnte man die schneebedeckte Landepiste des Flughafens in Zürich sehen.

Das Flugzeug setzte etwas hart auf, so die Aussage des Passagiers hinter mir, dabei konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen, denn ich musste an die Worte des Piloten vom Vortag denken: „Manchmal ist es besser etwas härter aufzusetzen, damit die Bodenhaftung sofort da ist, vor allem bei nasser oder schneebedeckter Piste.“

Glücklich und müde gingen wir zurück ins Seminarlokal, wo wir unsere Gefühle, Empfindungen etc. während unserem Flug zusammen besprachen.

Als letzter Schritt kam die Belohnung. Wir stiessen gemeinsam mit einem Glas Sekt an und durften unsere Seminarzertifikate in Empfang nehmen. Für mich war das Seminar ein voller Erfolg. Ich kann jedem, dem es gleich geht wie mir, empfehlen so ein Seminar zu machen.

Hier noch der Link zum Seminar:
Fit to Fly

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